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Jens Haberland
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Serienmörder
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im Europa des 20. Jahrhunderts
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mit einem Vorwort von Prof. Dr. Schurich |
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Berichte Interviews Fotos
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Inhaltsverzeichnis 3
Der Fall Dennis Nilsen (Großbritannien) 7
Der Teufel von Rostov (Andrej Chikatilo, Ukraine) 11
Das Monster von Florenz (Pietro Pacciani, Italien) 18
Jack The Stripper (unbekannt, Großbritannien) 21
Verlangen nach Aufmerksamkeit (Beverly Allitt, Großbritannien) 24
Die rote Spinne (Lucian Staniak, Polen) 29
Warmherzige, allein stehende Frau gesucht (Bela Kiss, Ungarn) 32
Paul Ogorzov, der 5-Bahn-Vergewaltiger (Deutschland) 34
Vertrauensarzt Dr. Petiot (Frankreich) 38
Der Yorkshire Ripper (Peter Sutcliffe, Großbritannien) 43
Die Moormörder (Ian Brady und Myra Hindley, Großbritannien) 46
Adolf Seefeld - ein ungelöstes Rätsel (Deutschland) 56
Der Kannibale (Karl Denke, Deutschland) 58
Das Goldkind (Jürgen Bartsch, Deutschland) 60
Warte, warte nur ein Weilchen… (Fritz Haarmann, Deutschland) 64
Die Kindermörderin aus der Goutte d’Or (Jeanne Weber, Frankreich) 68
Der Würger vom Rillington Place (John Christie, Großbritannien) 71
Peter Kürten - Der Sadist von Düsseldorf (Deutschland) 76
Jack Unterweger, Literat und Mörder (Österreich) 79
Die Beschuldigungen gegen Pastor Pandy (Belgien) 82
Klopf. Klopf.
Ehemann: Wer da?
Stimme: Jack the Ripper.
Ehemann: Für Dich, Liebes!
(Benny Hill Show 1980)
Serienmörder scheinen Konjunktur zu haben, aber sie sind beileibe keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte des Serienmordes, wenn sie einst geschrieben würde, könnte kaum nachweisen, dass der Serial Killer auf der Geschichtsachse immer gewalttätiger, intensiver und exzessiver seine Mordspuren zieht.
Dennoch ist dieses Thema zeitgemäß. Heute sind wir live dabei. Das macht den Unterschied zu den früheren Taten. Wo immer einer wie ein Raubtier im Dschungel seine Opfer sucht, überschlagen sich die Medien, schnellen Auflagen empor. Quasi wie in einer massenmedialen Reality-Show verübt er, der im Dunkeln, im Unsichtbaren Agierende, aufs Neue seine blutigen Taten. Und ist er dann endlich gefasst, wächst das öffentliche Interesse noch einmal, bis das Urteil gesprochen und - in manchen Ländern - bis zum Tode des Delinquenten vollstreckt ist. Dann wartet man geduldig - auf den nächsten Killer.
Wie kann dieses Phänomen erklärt werden? Einerseits wohl aus der Tatsache, dass vom Serienmörder eine unheimliche Faszination ausgeht. Aus der nüchternen Sicht des wissenschaftlichen Kriminologen wird das oft bestritten, aber es stimmt trotzdem. Es ist das Faszinosum Gewalt, das ihn so attraktiv macht, es ist das Ungeheuerliche, sich kaltblütig über Recht und Moral zu stellen, das Unbekanntes und Verborgenes, Fremdes und zuweilen Eigenes entdecken lässt. Zugleich erzeugt er massenhaft Angst. Diese ungewöhnliche Kombination von Abscheu, Ekel und Faszination ist es, die den „Thrill“ ausmacht.
Serienkiller sind, wie der Name schon sagt, multiple Mörder, aber einer besonderen Art. Deshalb gehört nicht jeder Massenmörder automatisch zu dieser Klasse. Holzwart zum Beispiel (Magdeburg 1845) erschlug seine sechsköpfige Familie, schnitt den Allerliebsten noch die Kehle durch und versuchte, sich selbst zu töten. Letzteres misslang gründlich. Obwohl ein Massenmörder, tötete er nicht in Serienabsicht. Denn er wollte nur seine Familie, die er über alles liebte, mit in den Tod nehmen. Bei ihm war keine Mordgewöhnung ausgebildet, wie der Kriminologe Hans von Hentig einmal schrieb, „die bei jedem echten Massenmörder wächst, als gleite der Mensch immer weiter in alte Bereitschaft der Lebensvertilgung zurück“.
Auch Amokläufer, unbestritten multiple Mörder, können wir nicht zu den Serienkillern rechnen. Der Lehrer Ernst Wagner, der in Degerloch im September 1913 seine Frau und seine vier Kinder durch Stiche in Hals und Brust ermordete, danach nach Mühlhausen an der Enz fuhr und wahllos neun Personen erschoss und weitere elf schwer verletzte, tötete nicht in Serie. Das seiner Tat zugrunde liegende raptusartige Geschehen, zeitweilig ohne Rücksicht auf das eigene Leben, dieses kurzzeitige intensive Morden in der Öffentlichkeit unterscheidet den Amokläufer vom über lange Zeiträume beständigen Serienmörder, der unter vier Augen tötet. Und macht wohl, dass Wagner - im Gegensatz zu Haarmann, Denke und Kürten - fast vergessen ist. Denn beim Amokläufer bricht die Gewalt wutartig für einen Moment heraus,
während der Serienmörder, wie von einer fremden Macht gesteuert, die wutartige Gewalt immer wieder ausbrechen lassen muss.
Nicht leicht zu beantworten ist die Frage: Wie wird man ein Serienmörder? In erster Linie scheinen die Killer geboren zu werden. Zwischen Kannibalismus und sozialer Not, wie im Deutschland der 20er Jahre, als die Verbrechen mehrerer kannibalischer Massenmörder begangen wurden, dürfte jedoch ein Zusammenhang bestehen. Dieses Hinzutreten von sozialen Ursachen zur individuellen Verbrechensdisposition hat der Schriftsteller Hans Pfeiffer sehr treffend in folgende Worte gefasst: „Das kollektive Unbewusste eines Volkes enthält auch einen geheimen Raum für die Schlachtbank eines Großmann, eines Haarmann, eines Denke.“ Wie in der modernen Gesellschaft die Verdinglichung des Menschen zum toten Objekt insgesamt eine neue Dimension von Gewalt geboren hat. Aber dominierend scheint die Macht der Gene zu sein, die zum Zwang der Serie treibt ... Genaueres orten wir aber, leider, immer noch nicht.
Serienmörder sind, wie andere Menschen auf anderen Gebieten, entweder Früh- oder Spätstarter. Wir wissen, dass Tierquälerei, oft nur als Dummen-Jungen-Streich abgetan, für die kriminelle Aufbau- und Übungsphase von Sadisten typisch ist. Will man dem Bericht von Peter Kürten glauben, hat er mit neun Jahren seinen ersten Mord verübt. Andere hingegen beginnen ihr teuflisches Handwerk bedeutend später.
Damit ist schon gesagt worden, dass Serienmörder meist Sadisten sind und, auch wenn sie es nicht sind, bei der Tatausführung fast immer eine sexuelle Saite mitschwingt. Schon ein Blick auf die kleine „Statistik“ dieses Buches lehrt uns zudem, dass es sich um eine herausragende männliche Domäne handelt und Frauen die Ausnahme von der Regel bilden, die in den Tiefen ihrer Seelen aber gleichermaßen sadistisch veranlagt sein können.
Serienmörder werden von Freunden und Bekannten oft als ganz normale, unauffällige Menschen beschrieben. Das macht sie so gefährlich und zugleich - sympathisch. Es könnte immer einer von uns sein, der aber doch anders sein muss und vor dem wir uns in allerletzter Konsequenz fürchten müssen, so wie wir uns zuweilen vor uns selbst fürchten.
Serienmörder, die uns so faszinieren, weil sie sich scheinbar unbeschwert über alle Normen hinwegsetzen können, sind dennoch unglückliche Menschen. So lesen wir in diesem Buch, dass Karl Denke ein Unglücklicher war, der nach den Gesetzen seines Daseins Kreise vollenden musste. Serial Killers leiden sehr an ihrem Anderssein, das aus geheimen Orten des Innern kommt. Es quält sie, dass sie ihren Trieben folgen müssen, aber wir können ihre Erschütterungen nicht seismographisch fassen. Auch aus diesem Grunde agieren sie so unauffällig.
Sie sind insofern ein Produkt der Gesellschaft, als jene allein es ihnen erlaubt, immer und immer wieder die schauerlichsten Verbrechen zu begehen. Denn wären sie beim ersten Mord gefasst und verurteilt worden, hätten, wie die Kriminalgeschichte beweist, dutzendfach viele Menschenleben gerettet werden können. Aber das durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht installierte Frühwarnsystem des Gemeinwesens versagt oft. So kam die Untersuchung gegen Albert Howard Fish, der mehrere Kinder umgebracht hatte (New York 1928), erst nach Jahren in Gang, als er der Mutter eines Opfers, Mrs. Budd, 1934 leichtsinnigerweise brieflich unter anderem mitteilte: „Ich habe sie erwürgt, bevor ich sie in kleine Stücke schnitt, um ihr Fleisch mit nach Hause zu nehmen, es zu kochen und zu essen.“ Nur in ganz seltenen Fällen hört der Serial Killer wie von selbst auf mit seinem blutigen Treiben, und bleibt dadurch, wie bei den dreizehn Leichenfunden in Cleveland (USA) 1935 bis 1938, für ewig unentdeckt. Die Regel ist das aber nicht. Andersherum kann, wenn der Abwehrdienst der Gesellschaft funktioniert und schon beim ersten Mord oder beim ersten sadistischen Anschlag die Staatsgewalt zuschlägt, eine derartige Karriere verhindert werden.
Serienmörder sind daher, vor allen Dingen, aber nicht nur aus der Sicht der Kriminalistik, „unsere strengsten Erzieher und sollten uns lehren, mit erneuter Bemühung die Schwächen unseres Wissens zu überwinden, die sie aufzeigen“ - wie es Hans von Hentig einmal formulierte.
Das Buch „Serienmörder im Europa des 20. Jahrhunderts“ von Jens Haberland breitet vor uns neunzehn Fälle aus. Gut recherchiert und spannend erzählt, kann es gar den Fachmann in seinem Bemühen unterstützen, die Psyche dieser Täter zu ergründen, ihren Motiven näher zu kommen und durch die Analyse der Begehungsweisen und Tatabläufe Täterprofile zu erarbeiten. Das Buch ist auch deshalb sehr aktuell, weil es vom Versagen der Justiz erzählt, wenn in der Verfolgungshysterie Unschuldige zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden oder wenn zu Unrecht Verdächtigte Selbstmord verübten. Ebenso lehrreich sind die zahlreich geschilderten Pannen der Polizei. Peter Sutcliffe, der Yorkshire Ripper, schaffte es, die Tatwerkzeuge Hammer und Messer unter den Augen der Polizei verschwinden zu lassen. Der Fehler konnte schnell ausgebügelt werden, weil ein Beamter, einem Instinkt folgend, am nächsten Tag an den Ort der Festnahme zurückkehrte und die Waffen fand. Erschütternd aber zu lesen ist, dass Anzeigen von Opfern, die den Totschlägern entkommen konnten, mit einer gewissen Regelmäßigkeit von der Polizei nicht ernst genommen werden, wodurch sie, die Polizei, zum geheimen Komplizen der Verbrecher avanciert. In den Fällen Dennis Nilsen, Paul Ogorzov und Jürgen Bartsch ist dieses Unglaubliche beschrieben. Gleichfalls schenkte man dem letzten Opfer von Karl Denke zunächst einen Glauben, sondern es bekam im Gegenzug eine Anklage wegen Bettelns und Landstreicherei. Indizien dafür, dass wir in der Tat noch sehr wenig vom Serial Killer wissen und selbst Ordnungshüter, die einiges darüber gelernt haben müssten, ihm oft blauäugig und leichtfertig gegenübertreten
Wir lesen ferner erstaunt, dass Serienmörder - wie Reginald Christie - ihre Geliebten auf Polizeistationen kennen lernen können und dass - psychologisch interessant - Mordhäusern oft ein trauriges Schicksal zuteil wurde. Entweder wollte dort niemand mehr wohnen oder sie wurden einfach abgetragen, weil Touristen massenhaft Steine als Souvenirs mitnahmen oder Nachbewohner Stimmen hörten und hologrammartige Körper an der Wand sahen. Und in der heutigen Bartle Road in London gibt es, obwohl die Straße nach den schrecklichen Morden zweimal umbenannt wurde und sogar völlig neu entstand, zwischen den Neubauten Nr. 9 und 11 keine Nr. 10 mehr: Nur eine Brache erinnert uns noch an das Unglückshaus...
Die Fälle, über die Jens Haberland berichtet, spiegeln insofern das wirkliche Kriminalistenleben wieder, als sich nicht alle Serienmörder in den Netzen der Fahnder verfangen. Bela Kiss zum Beispiel blieb für immer unauffindbar, und nicht alle Umstände können, wie in der Strafsache Adolf Seefeldt, selbst wenn der Täter gefasst wurde, abschließend und umfassend erhellt werden.
Durch aktuelle Fotografien nicht nur der Tatorte und durch Interviews mit Betroffenen unterscheidet sich dieses Buch erfreulich von der übrigen, ein wenig inflationären Literatur zum Thema. Allerdings muss der in einem Interview geäußerten Auffassung von einer ungezügelten Selbstjustiz energisch widersprochen werden. Denn wenn diese Gesellschaft immer noch nicht richtig weiß, wodurch den entsetzlichen Taten vorgebeugt werden kann, wie man mit Serial Killers umzugehen hat und auf welche Weise diese zur Verantwortung zu ziehen und/oder zu therapieren sind, eines weiß sie mit Bestimmtheit: Die tödliche Rache an ihnen wäre genauso unmenschlich wie ihre Taten.
Prof. Dr. Frank-Rainer Schurich,
Kriminologe
Die Moormörder
Das ruhige englische Städtchen Hattersly, von weitläufigen Sumpfgebieten umgeben, war die Heimat eines jungen Paares, das in den sechziger Jahren als die Moormörder von England in die Kriminalgeschichte eingehen sollte. Ian Brady, 28, und Myra Hindley, 23, lebten gemeinsam im Haus von Myras Großmutter in der Wardle Brook Avenue Nr. 16. Am späten Abend des 6. Oktober 1965 verließ Myra die Wohnung ihrer Schwester und bat deren Mann, David Smith, sie auf dem Weg nach Hause zu begleiten.
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Diese Lücke Links neben dem letzten Haus der Wardle Brook Avenue entstand, als die Nr. 16 – aufgrund der Ereignisse unvermietbar und außerdem Anziehungspunkt des Sensationstour-ismus – schließlich abgerissen wurde.
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Dort angekommen, saßen die beiden noch eine Weile in der Küche, tranken ein Glas Wein und unterhielten sich, als urplötzlich ein entsetzlicher Schrei aus nächster Nähe an ihre Ohren drang. „Komm, wir müssen ihm helfen!“ rief Myra und lief ins Wohnzimmer hinüber. Der ahnungslose Schwager folgte ihr, und was er nun zu sehen bekam, würde er später folgendermaßen beschreiben: „Im ersten Moment dachte ich, Ian habe eine Puppe in Lebensgröße vor sich und wedele damit herum. Aber dann dämmerte mir, dass es sich keineswegs um eine Puppe handelte.“ Die vermeintliche Puppe war der siebzehnjährige Edward Evans, den Ian in einem nahe gelegenen Pub aufgelesen hatte und nun würgend endgültig zum Schweigen brachte, nachdem er ihn zuvor mit insgesamt vierzehn Axtschlägen traktiert hatte. Der Mord war als eine Art „Demonstration“ für David gedacht, den Ian und Myra als Komplizen zu gewinnen beabsichtigten. Smith war ein heftiger Trinker, hatte eine lange Liste an Jugendstrafen vorzuweisen, und schien dem mörderischen Pärchen gerade der richtige Partner zu sein. Smith stand unter Schock, als er den beiden half, das verspritzte Blut von den Wänden zu waschen, während Ian ununterbrochen über sein Opfer lästerte und den Jungen als Waschlappen, Leichtgewicht und hirnloses Schwein bezeichnete. Dann rief die Großmutter die Treppe herunter und erkundigte sich nach der Ursache der Schreie, worauf Myra erwiderte, ihr sei der Kassettenrecorder auf den Fuß gefallen. Die Großmutter zog sich wieder zurück, und Smith half Ian, die Leiche nach oben in ein unbewohntes Zimmer zu tragen.
Myra Hindley als jugendliche Blondine Ian Brady
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Als David Smith spät in der Nacht nach Hause kam, stürzte er ins Bad und übergab sich mehrere Stunden lang. Nach dem Grund seiner Übelkeit befragt, erzählte er seiner Frau, was vorgefallen war, und am nächsten Morgen gegen sechs Uhr gingen sie gemeinsam zur Polizei. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung stießen die Beamten auf die verschlossene Tür im oberen Stockwerk. Myra behauptete, sie habe den Schlüssel verlegt, aber die Polizisten brachen die Tür auf und fanden neben der mit Plastik umwickelten Leiche und zwei Revolvern auch mehrere Fotos. Auf einigen war die seit zehn Monaten vermisste zehnjährige Lesley Ann Downey zu sehen, ein anderes zeigte Myra Hindley, wie sie im Moor über einem grabähnlichen Hügel stand. Die Polizei lokalisierte die Stelle und fand den Leichnam des zwölfjährigen John Kilbride und kurz darauf auch den der kleinen Lesley. Wie sich herausstellen sollte, wurde das Mädchen unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt, bevor sie schließlich ermordet wurde. Sie war entkleidet, in pornographischen Posen fotografiert und schließlich sexuell missbraucht worden. Ihre Schreie hatte das unglaubliche Paar auf Tonband aufgenommen und später mit weihnachtlicher Musik unterlegt. Die Polizei fand die Aufnahmen, und selbst die Hartgesottensten unter den Kriminalisten sprachen davon, nie zuvor derartige Geräusche menschlicher Qual gehört zu haben. Als die Bänder während der Gerichtsverhandlung in Chester zu Gehör kamen, brachen mehrere Geschworene in Tränen aus, während Myra regungslos zuhörte und keinerlei Emotionen zeigte. Sie bestritt jede Tatbeteiligung und versuchte, Ian die alleinige Schuld zuzuschieben, woraufhin der sie mit wüsten Obszönitäten überschüttete.
John Kilbride Pauline Reade Edward Evans Keith Bennett Lesley Ann Downey
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Am 6. Mai 1966 wurden Ian Brady und Myra Hindley, ohne auch nur eine ihrer furchtbaren Taten gestanden zu haben, schuldig gesprochen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Erst viele Jahre später würde Brady einem Journalisten namens Fred Harrison gestehen, dass die beiden auch die sechzehnjährige Pauline Reade und den zwölfjährigen Keith Bennet ermordet hatten. Paulines Leiche wurde 24 Jahre später mit Myras Hilfe im Juli 1987 im Moor gefunden, der Leichnam von Keith Bennett aber bleibt bis heute unauffindbar, seine Mutter gräbt nahezu jedes Wochenende im Saddleworth Moor nach dem kleinen Körper.
Ian Brady wurde am 2. Januar 1938 als Ian Duncan Stewart in Glasgow geboren. Seine Mutter, die achtundzwanzigjährige Margaret Stewart, arbeitete als Kellnerin in einem Hotel und als sein Vater, ein Glasgower Journalist, bereits drei Monate nach seiner Geburt verstarb, gab die Mutter den Jungen in die Hände der Pflegeeltern Mary und John Sloan.
Ian war ein zwar einsamer aber dennoch sehr dominanter Schüler, ein geborener Führer, der sich schon früh sehr intensiv mit Nietzsche, de Sade, Dostojewskis ´Schuld und Sühne` und schließlich vor allem mit Hitlers ´Mein Kampf` beschäftigte. Als er zehn Jahre alt war, wechselte er auf die Shawlands Academy, eine Schule für überdurchschnittlich begabte Kinder, wo er dann allerdings vor allem durch schlechtes Benehmen auffiel, was als Rebellion gegen wohlhabendere Mitschüler gedeutet wurde.
Nachdem er zwischen dem dreizehnten und dem sechzehnten Lebensjahr mehrere Male wegen Einbruch und Diebstahl vor einem Jugendgericht gestanden hatte, wurde er schließlich auf Bewährung verurteilt, die mit der Auflage verbunden war, zu seiner Mutter zu ziehen. Die lebte mittlerweile in Manchester und war mit einem Mann namens Patrick Brady verheiratet. Ian nahm den neuen Familiennamen an und arbeitete auf einem Gemüsemarkt, bis er im November 1955 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er einem LKW-Fahrer dabei geholfen hatte, gestohlene Früchte auf den Wagen zu laden. Die härte der Strafe erklärt sich aus der Tatsache, dass Brady noch immer zur Bewährung auf freiem Fuß war, aber er fühlte sich maßlos schlecht behandelt, und die folgenden zwei Jahre unter Berufsverbrechern und Mördern trugen ihrerseits ihren Teil dazu bei, dass in Brady der feste Entschluss reifte, „der Gesellschaft zu geben, wonach sie verlangt“.
Nach seiner Entlassung arbeitete er für einige Zeit in einer Brauerei und schließlich als Buchhalter bei Millwards Ltd., einer kleinen Chemiefabrik. In den Pausen studierte er weiterhin ´Mein Kampf` und andere Naziliteratur. Am 16. Januar 1961 lernte er schließlich Myra Hindley kennen, die als Sekretärin in derselben Firma arbeitete. Sie verliebten sich ineinander und Myra würde später über ihr Verhältnis sagen: „Innerhalb weniger Monate hatte Ian mich vollkommen davon überzeugt, dass es keinen Gott gebe. Er hätte mir erzählen können, die Erde sei eine Scheibe, der Mond aus grünem Käse und die Sonne gehe im Westen auf, ich hätte ihm alles auf der Stelle geglaubt.“ Derartig unter seinem Einfluss, hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass sie sich selbst beim Geschlechtsverkehr fotografierten um die Bilder anschließend zu verkaufen.
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Der Ort Hattersley ist erst in den 60er Jahren gebaut worden. Die Einwohner waren sich folglich zur Zeit der „Moormörder“ noch fremd. Diese alte Land-gaststätte befindet sich in Sichtweite zur Wardle Brook Avenue Nr. 16 am Stadtrand und wurde von der neuen Bevölkerung gerne besucht. Auch Ian Brady lernte hier einige seiner neuen Nachbarn kennen.
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Brady war durch seine Lektüre zu der Ansicht gekommen, eine Art Samurai zu sein, ein Außenseiter der Gesellschaft, ein herausragender Einzelgänger aufgrund seiner Willenskraft und Selbstdisziplin. Mit Myra an seiner Seite hielt er die Zeit für reif, ein Unternehmen zu starten, das sich deutlich abheben sollte von der gewöhnlichen Kriminalität. In einem Brief an die Presse würde Brady im Januar 1990 schreiben, die nun folgenden Verbrechen seien „das Produkt einer existenzialistischen Philosophie, gepaart mit der Spiritualität des Todes selbst.“
Interview mit Harold Crowther, Besitzer des 4100 Hektar großen Landes im Saddleworth Moor am Montag, 25.08.1997 auf der Landstraße vor seinem Haus.
J.H.: (Wir fahren im Saddleworth Moor zum einzigen Haus in der Gegend und treffen einen Mann, der gerade in seinen Jeep einsteigen will.)
Hallo, sie, entschuldigung, wir suchen jemanden, der uns hier etwas über die Moormörder erzählen kann.
H.C.: Ach so, na dann fahren sie mir mal nach. (Beide Autos halten plötzlich auf der Landstraße)
H.C.: So, da sind wir.
J.H.: Sagen sie mal, sie sehen dem pensionierten Chief Superintendent Peter Topping so ähnlich, sind sie das etwa?
H.C.: So, so, sie wollen also auch zu Topping, das wird schwierig... Der ist ja auch schon pensioniert...
J.H.: Ich weiß, niemand von offizieller Stelle darf reden und so weiter.
H.C.: Na ja...Hier oben sucht Mrs. Bennett jedenfalls alle paar Tage nach ihrem Kind...Und wenn sie da hoch laufen, dann können sie genau sehen, wo die Polizei gegraben hat. Da ist auch die Stelle, wo die kleine Pauline 1987 gefunden wurde.
J.H.: Also, das ist ja sehr nett von ihnen. Mein Name ist übrigens Jens Haberland von der Presse und das ist mein Kollege Jürgen Daum, der Fotograf in dieser Mission.
H.C.: Sehr angenehm, mein Name ist Harold Crowther und mir gehört das hier alles, soweit ihr Auge reicht.
Das große Grab des Saddleworth Moors
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Harold Crowther zeigt auf die Stelle, wo die Polizei im Juli 1987 die Leiche der Pauline Reade ausgrub. |
J.H.: Ach sie Ärmster, dann haben die Polizisten und Suchtrupps ihr ganzes Land zerstört.
H.C.: Ach wo! Das Land ist doch nur für meine Schafe da. Das stört mich alles nicht. Und außerdem kann bei mir jeder machen, was er will. Sie sind hier ebenfalls herzlich willkommen. Wollen sie vielleicht auch ein bisschen graben, dann hol ich noch mal eben ein paar Schaufeln, nicht wahr?
J.H.: Wir haben leider zu wenig Zeit. Aber, dann haben sie doch sicherlich auch einiges beobachtet, oder?
H.C.: Ja, den Ian Brady habe ich hier öfter mit seinem Minivan vorbeifahren sehen, der hat auch öfter mal hier, wie wir gerade, am Wegesrand geparkt. Eines Nachts habe ich ihn im Moor graben sehen, aber ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass da ein Körper liegen könnte. Nun, wie gesagt, helfen sie sich selbst und wenn es zu spät werden sollte, dann klingeln sie einfach auf meinem Hof, ja genau, schauen sie doch noch mal vorbei.
Interview mit Danny Kilbride, dem Bruder des ermordeten John Kilbride am Dienstag, 26.08.1997 in seinem Haus in Ashton-Under-Lyne, Greater Manchester
J.H.: Danny, hast du Ian Brady mal gesehen?
D.K.: Nein, aber er hat mir geschrieben.
J.H.: Was war der Inhalt des Briefes?
D.K.: Nun, er weiß, dass ich Myra Hindley töten werde, wenn sie jemals entlassen wird. Er schrieb mir, dass er im Falle ihrer Entlassung weitere Fakten preisgeben würde, woraufhin man sie sofort wieder einsperren müsste. Ich solle also ganz ruhig bleiben.
Myra Hindley hat mich übrigens deshalb einmal verhaften lassen, weil ich ihr Leben bedrohe. Sie weiß, dass ich es ernst meine. Zwei Bobbies sperrten mich für eine Nacht ein und nutzten die Zeit, mir zu erklären, dass mich eine solch glaubhafte Drohung in der Presse zehn Jahre hinter Gitter bringen kann.
J.H.: Warum richtet sich dein Hass eigentlich hauptsächlich auf Myra Hindley und weniger auf Ian Brady?
D.K.: Nun, Brady hat seine Strafe akzeptiert und macht auch keine Versuche, aus dem Gefängnis jemals wieder entlassen zu werden. Hindley hingegen versucht ständig, auf Bewährung entlassen zu werden.
J.H.: Hat sich Hindley eurer Familie gegenüber irgendwie geäußert?
D.K.: Ja, in der Presse, nie persönlich. Sie sagt, sie hätte mit dem Mord an John nichts zu tun gehabt.
J.H.: Erzähl mir von John
D.K.: John war das älteste von uns sieben Kindern. Er verschwand am 23. November 1963 im Alter von zwölf Jahren. Ich war nur zehn Monate jünger als John und wir beide waren sehr eng miteinander verbunden. Obwohl wir so viele in der Familie waren, habe ich während der zwei Jahre, wo John als vermisst galt, niemandem erlaubt, in seinem Bett zu schlafen. Meine Mutter kaufte nach wie vor Weihnachts-, Geburtstags- und Ostergeschenke für ihn ein, auch sein Platz am Tisch wurde immer gedeckt, bis sie ihn dann am 21. Oktober 1965 kurz nach der Festnahme der beiden Mörder im Saddleworth Moor gefunden haben.
Die Zeit darauf wurde sogar noch schlimmer für uns. Meine Mutter nahm sehr starke Beruhigungsmittel und war für viele Jahre nicht mehr ansprechbar. Sie wackelte auf ihrem Stuhl jahrelang nur vor und zurück, ansonsten ging gar nichts mehr. Sie hat sich jetzt beruhigt, aber gerät nach über 30 Jahren immer noch in unkontrollierbare Gefühlsausbrüche, wenn sie darüber reden muss. Deshalb seid ihr ja jetzt auch bei mir und nicht bei ihr.
J.H.: Richtig, die Leiterin ihres Altersheims hat uns direkt zu dir geschickt. Danny, wenn du so darüber sprichst, was fühlst du?
D.K.: Ich kann rational darüber sprechen, aber ich würde jedem, der mir gegenübersitzt und zufällig auf der Seite derer steht, die Hindley freikriegen wollen, seine Fresse zerschlagen. Und wie gesagt, wenn sie jemals rauskommt, komme ich rein und jeder weiß, dass ich es ernst meine.
J.H.: Frage an Dannys Frau Ann: Was denkst du darüber?
Ann: Irgendwie hat er Recht, ich könnte ihn auch gar nicht zurückhalten.
J.H.: Aber gibt es denn niemand anderen, der das Problem im Falle ihrer Entlassung „lösen“ würde?
D.K: Es gibt Hunderte, die das tun würden.
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Danny Kilbride, seine Frau Ann und der gemeinsame Sohn in ihrem Haus in Ashton-Under-Lyne |
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Ann: Als Hindley 1986 zurück ins Moor geführt wurde, waren Hunderte mit Henkersschlingen und Plakaten auf dem Marktplatz.
D.K.: Vor 19 Jahren kamen in einem öffentlichen Gebäude zwei Krawattentypen auf mich zu und meinten, sie könnten etwas für mich organisieren, sie hätten gute Connections zum Knast. Ich meinte zu ihnen, dass, wenn, ich es selber tun wolle. Keine Ahnung, wer die waren.
J.H.: Wie kommt es, dass sie dich um Erlaubnis fragen?
D.K.: Na ja, sie haben nicht um Erlaubnis gefragt, sie wollten nur die Unkosten von 3000 Pfund Sterling nach getaner Arbeit erstattet bekommen.
J.H.: 3000 Pfund sind ja nicht so viel.
D.K.: Nun, es ist 19 Jahre her.
J.H.: Brady wurde vom Innenministerium des Öfteren als Paranoid bezeichnet, weil er der Presse schrieb, dass ihn jemand, von höherer Stelle aus organisiert, versuche, ihn im Gefängnis zu vergiften. Dann lag er vielleicht gar nicht so falsch?
D.K.: (grinsend) Gut möglich! (leicht nickend)
J.H.: Frage an Dannys ältesten Sohn gerichtet: Wie alt warst du eigentlich, als du mit diesen Dingen vertraut gemacht wurdest?
Sohn: zwölf
J.H.: Vertrittst du die Position deines Vaters?
Sohn: Ja
D.K.: (mischt sich ein) Wenn ich nicht mehr kann, wird er die Hindley an meiner Stelle töten.
J.H. Stimmt das?
Sohn: Ja!
J.H. Wie alt bist du jetzt?
Sohn: sechzehn.
J.H.: Frage an Ann: Würde Hindley morgen früh entlassen werden, und du sähest deinen Mann dabei, wie er nunmehr seine Messer oder vielleicht auch noch andere Waffen vorbereitet, was würdest du tun?
Ann: Gar nichts. Danny weiß, was er zu tun hat und ich kann es ihm nachfühlen. Weißt du, mein Bruder wurde vor vier Jahren auch ermordet. Ich wollte seinen Mörder auch umbringen, habe mich aber nicht getraut. Ich weiß aber, dass Dannys Willen stärker ist als meiner, und dass er Hindley umbringen wird, wenn sie freikommt, und nichts auf der Welt könnte ihn davon abhalten.
J.H.: Moment, dein Bruder wurde auch umgebracht?
Ann: Ja, aber er war schon 27.
D.K.: Der Mörder ihres Bruders hatte die Leiche zehn Tage bei sich zu Hause rumliegen und Ann auf der Straße in dieser Zeit noch freundlich gegrüßt.
Ann: Ja, sie waren Freunde, Kingsley Dunn und mein Bruder, ich kenne Kingsley auch sehr gut, er grüßt mich bis heute jeden Tag auf der Straße. Weißt du, ich bin durch eine ähnliche Sache gegangen wie Danny, nur, dass mein Bruder halt schon 27 war und kein wehrloses Kind mehr.
J.H.: Also Ann, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, hat ein gewisser Kingsley Dunn vor vier Jahren deinen Bruder getötet, die Leiche tagelang bei sich gelagert, wohnt hier in der Nachbarschaft und meint, ein gutes Verhältnis zu dir zu haben?
D.K.: Ja, er wohnt hier hinten über die Straße vier Blocks weiter.
Ann: Ja, ich muss ihn nahezu jeden Tag auf der Straße sehen, wenn er seine Kinder in den Kindergarten bringt oder mit seiner Frau Schuhe kaufen geht.
D.K.: Er hat halt eines Tages beschlossen, seinen besten Freund, der gerade bei ihm übernachtet hat, zu Tode zu treten.
Ann: Ja, ganz genau so muss es gewesen sein, danach haben die Bobbies zehn Tage später sein Haus durchsucht, die Leiche meines Bruders gefunden und ihn verhaftet.
J.H.: Und warum kann Kingsley jetzt Schuhe kaufen gehen, anstatt im Gefängnis zu sitzen ?
Ann: Er hat sich des Totschlags für schuldig bekannt und 15 Monate gekriegt.
D.K.: Ja, der war aber trotzdem gleich wieder draußen, nach einem halben Jahr oder so.
Ann: Ja, das ist britische Justiz, weißt du?
J.H.: Hm
Ann: Es gehört dazu, das ist das tägliche Leben, es passiert jeden Tag. Wie gesagt, ich würde eigentlich das gleiche tun, was Danny vorhat, aber er hat halt den stärkeren Willen, was Hindley angeht.
D.K.: Eines Morgens im Dezember 1986 sahen wir die Sieben-Uhr-Nachrichten, wo berichtet wurde, dass Hindley ins Moor geführt wird, um der Polizei zu helfen, die Leiche von Pauline Reade und Keith Bennett zu finden. Pauline haben sie ja dann auch gefunden. Ich wusste, dass sich mein Vater, Patrick Kilbride, also auch auf jeden Fall bewaffnet in der Nähe aufhalten würde. Mein Bruder Terry und ich begaben uns also sofort nach Saddleworth, um ihn zu unterstützen. Wir kamen aber nicht nahe genug an Hindley ran. Meinem Vater gelang es zwar, die erste Straßensperre zu passieren. Er wurde aber an der zweiten gestoppt, und ein Polizist schrie ihn an: „Mister Kilbride, wenn sie nicht sofort stehen bleiben, werden wir das Feuer auf sie eröffnen, haben sie das jetzt kapiert?“ Die hätten ihn mit Sicherheit über den Haufen geknallt. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade an der ersten Straßensperre und ein Polizist zog mich hinunter an sein Autofenster, zeigte mir einen Revolver und meinte zu mir: „Hör mal, wenn du mit deinem Messer nicht nahe genug herankommst, nimm das hier, ich lass es hier liegen, verstehst du?“
J.H.: Danny, du erzählst mir jetzt keinen Mist, oder?
D.K.: Ich schwöre dir, es ist wahr.
J.H.: Warum hast du keinen Gebrauch von der Waffe gemacht?
D.K.: Erstens kam ich überhaupt nicht an Hindley heran. Zweitens bin ich zufrieden, solange sie im Gefängnis sitzt. Mein Vater denkt da anders drüber, er ist jetzt körperlich sehr schwach und kann ihr deshalb nicht mehr wie früher auflauern, aber wenn man ihm heute noch ein Messer gäbe und Hindley mit ihm in ein Zimmer sperrte, dann wäre ihr Leben keinen Penny mehr wert, verstehst du? Ich bin schon zufrieden, wenn sie im Gefängnis ist. Sie war übrigens mal im offenen Vollzug, da ist sie auf der Straße einkaufen gegangen, mit ihrer Geliebten, der Gefängniswärterin Patricia Cairns, die sie von ihrer Unschuld überzeugt hatte. Cairns wurde 1974 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Hindleys Flucht nach Südamerika organisieren wollte, wo sich die beiden dann ein kleines Liebeshäuschen eingerichtet hätten.
Wie dem auch sei, ich habe meinen Vater schließlich aus dem Moor geführt, ihm sein Messer abgenommen und es weggeworfen. Mein Vater schrie noch wie von Sinnen: Ich will sie töten und das meine ich auch so!
J.H.: Danny, hast du die potentielle Mordwaffe eigendlich schon bei dir hier im Haus?
D.K.: Eine Waffe ist kein Problem, ein Anruf.
J.H.: Ist da noch etwas, was du mir erzählen willst?
D.K.: Na ja, Myra Hindley hat zwei weitere Morde eingestanden, wurde aber nie dafür zur Rechenschaft gezogen, weißt du vielleicht, warum?
J.H.: Ich warte erst mal ab, was du meinst.
D.K.: Ich habe mich beim Innenminister erkundigt, warum Hindley für die weiteren Morde, die sie jetzt eingestanden hat, nicht noch mal vor Gericht zur Rechenschaft gezogen wird.
Ich habe nur eine kurze Antwort erhalten: „Sehr geehrter Herr Kilbride, alles, was damit zusammenhängt, ist nicht im öffentlichen Interesse.“
J.H.: Nun, Danny, kennst du den Fall Dutroux?
D.K.: Nein.
J.H.: Ein Belgier, der letztes Jahr für den Mord an mehreren Kindern verhaftet wurde. Es stellte sich heraus, dass Dutroux Kinderpornos herstellte und die Kinder, bevor er sie umbrachte, Anwälten, Richtern, Polizisten, und anderen teilweise hochgestellten Persönlichkeiten zu sexuellen Zwecken entgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. könnte es vielleicht sein, dass noch andere Leute, eventuell heutige Größen von gesellschaftlicher Bedeutung in den Fall verwickelt sind?
D.K.: Ich habe schon oft über diesen Brief, den mir Brady aus dem Gefängnis geschrieben hat, nachgedacht. Wie gesagt, schrieb er mir ja in Zusammenhang mit meiner Angst, dass Hindley entlassen werden könnte, dass er in einem solchen Falle noch weitere Fakten enthüllen würde, woraufhin Hindley ganz bestimmt nicht rauskäme. Da muss also noch etliches sein.
J.H.: Auch finde ich es einfach merkwürdig, dass jeder, der an der Gefängnistür von Durham versucht, irgendwie Informationen über Hindley zu bekommen, sofort auf eine Mauer des Schweigens trifft und keine offizielle Stelle mir in meinen Nachforschungen auch nur etwas entgegengekommen ist, ganz im Gegenteil. Es steht ja auch praktisch kein Gebäude mehr, in dem sich Brady und Hindley aufgehalten haben.
Ann: Na ja, das Haus in Hattersley haben sie ja abgerissen, weil kranke Leute bis Ende 1980 Steine als Souvenir mitgenommen haben, und außerdem haben alle Leute, die nach 1965 dort gewohnt haben, angeblich Stimmen gehört und hologrammartige Körper an der Wand gesehen und so was halt.
D.K.: Also, wer bestimmt noch mehr weiß, aber schweigt, wie ein Grab, das ist ja dieser David Smith, nicht war? Weißt du übrigens, dass alles, was diesen Fall betrifft nun in der Hand der obersten Richter ist und diese sind ja in der Öffentlichkeit unbekannt, wohingegen die Innenminister ja immer im Rampenlicht stehen. Die sind aber, wie gesagt, gar nicht mehr richtig dran. Wie auch immer, ich habe bereits im Gefängnis, wo sie mich nach Hindleys Freilassung reintun müssten, vorgesprochen.
J.H.: Und?
D.K.: Sie sagten: „Wenn du diese Schlampe umbringst, dann wirst du hier wie ein Lord behandelt.“ Also, wenn sie je rauskommt, geh ich rein, definitiv!
Im September 1997 war in der Ausstellung „Sensation“ der Londoner Royal Academy das 3,96 mal 3,20 Meter große Portrait „Myra“ des Künstlers Marcus Harvey zu sehen.
Das Gemälde, bestehend aus farblichen Abdrücken diverser Kinderhände, stellt Myra Hindley nach einem in den Medien vielgedruckten offiziellen Polizeifoto als jugendliche Blondine dar.
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